5. Finanztagung: Einkaufsintelligenz
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Finanztagung
Die fünfte Finanztagung findet am 27. Juni statt. Namhafte Unternehmen berichten über ihre Erfahrungen mit der Nutzung der vorhandenen Einkaufs- und Supply Chain Daten.
Die renommierte Zeitung «The Economist» titelte 2017 «The world’s most valuable resource is no longer oil, but data» und bringt damit die immense Bedeutung des Datenmanagements für Unternehmen und Organisationen zum Ausdruck.
Im Gegensatz zum Öl, dessen Ressourcen im Lauf der Zeit immer knapper werden, wachsen die vorhandenen Daten exponentiell. Die Hälfte der aktuell gespeicherten Daten sind in den letzten zwölf Monaten entstanden! Der Einkauf als zentrale Drehscheibenfunktion im Unternehmen wird ebenso zunehmend mit einer Datenflut konfrontiert. Mit dieser zielorientiert und systematisch umzugehen, ist eine der Herausforderungen für das Management der Einkaufsfunktionen.
Die Finanztagung 2019 «Gewinnpotenziale durch Einkaufs-Intelligence» beleuchtet Ansätze des Datenmanagements im Einkauf, um deren Potenziale zur Erhöhung der Transparenz im Einkauf, zur Realisierung von Einsparungen und zur Sicherstellung von Qualität und Verfügbarkeit zu nutzen. Die Unternehmen Axpo, SAP, Schindler, Swisscom und Zimmer Biomet berichten über ihre Erfahrungen mit der Nutzung innovativer IT-Funktionalitäten im Einkauf.
Spend-Analyse als Voraussetzung
Der Trend der Softwarehersteller zum Ausbau ihres Angebots an umfangreichen und benutzerfreundlichen IT-Funktionalitäten hält an, um so Daten noch besser zu nutzen. Transparenz herzustellen über die Aufwendungen von fremdbezogenen Leistungen, ist in der Regel der erste Schritt im Einkaufsdatenmanagement.
Die Frage «Was wurde von wem eingekauft und wer ist verantwortlich beziehungsweise wohin werden die Kosten gebucht?» wird durch eine systematische Spend-Analyse beantwortet. «Die Datenqualität ist schlecht» ist häufig zu hören. Die Ergebnisse der Spend-Analyse sind daher nur so gut, wie die Datenqualität durch Bereinigung (zum Beispiel redundante Kreditoren), Klassifizierung (zum Beispiel Warengruppen-Codes) und Anreicherung (zum Beispiel Vertragsinformationen) verbessert werden kann.
Der strategische Einkauf kann sein volles Potenzial nur entfalten, wenn er auf vollständige und korrekte Angaben zu Beschaffungsvolumen, Warengruppen, Lieferanten, Verwendung usw. zurückgreifen kann.
Maverick Buying reduzieren
«Einkaufen wie im privaten Amazon-Shop» – dies ist Zielsetzung von Guided-Buying-IT-Funktionalitäten, die mit intuitiven Benutzeroberflächen standardisierte Einkaufsprozesse unterstützen. Den Bedarfsträgern werden vordefinierte Vorzugslieferanten und -kataloge angeboten, sodass das Maverick Buying reduziert und operative Einkaufsprozesse automatisiert werden. Die Zeiten komplizierter Such- und Freigabeprozesse sind damit vorbei.
RPA automatisiert Prozesse
Softwareroboter, sogenannte RPA (Robotic Process Automation), erlauben die Automatisierung routinemässiger Prozesse, die bisher von Einkaufsmitarbeitenden durchgeführt wurden – und dies quasi fehlerfrei und jederzeit (24/7). Beispiele von RPA-Anwendungen sind die regelmässige Durchführung von ERP-Transaktionen oder Prozesse der Stammdaten- beziehungsweise Vertragspflege.
RPA können mit Methoden der künstlichen Intelligenz (KI) kombiniert werden. KI im Einkauf bedeutet die Nutzung von Algorithmen oder neuronalen Netzen, um aus Daten «zu lernen und intelligent» agieren zu können. Beispiele solcher Anwendungen sind die Codierung von Rechnungen anhand des Rechnungstextes oder die Anreicherung von Stammdaten anhand von Analogien mit anderen Einkaufsartikeln bzw. Fremdleistungen.
Kooperatives Datenmanagement
Die Anzahl vorhandener SRM-IT-Tools ist in den letzten Jahren fast unüberschaubar geworden. Sie unterstützen strategische und operative Einkaufsprozesse und besitzen Funktionalitäten wie E-Ausschreibungen, E-Kollaboration, Contract Management, e-RFX/-Auction, Quality und Supplier Life Cycle Management oder Performancemessung.
Die SRM-Tools ermöglichen neue datenbasierte Geschäftsprozesse wie beispielsweise VMI (Vendor Managed Inventory) oder Online-Auktionen. Die Transparenz über aktuelle Bedarfe oder Preisangebote vermindert die «Sicherheitsreserven», die die Supply-Chain-Partner einplanen. Die Potenziale bewegen sich nicht selten in zweistelligen Prozentpunkten.
Process Controlling statt Mining
Wie effizient und standardisiert sind die Prozesse im Einkauf, und in welchem Ausmass wird die Compliance eingehalten? Dies sind Fragen, die mit Process Mining beantwortet werden können. Process Mining nutzt die Daten in den IT-Systemen, um die Prozesse zu quantifizieren, grafisch darzustellen und kontinuierlich zu überwachen. Hierbei werden die Mengengerüste der Prozesse erfasst und Abweichungen von Standardprozessen identifiziert. Ein faktenbasiertes Prozess- und Compliancecontrolling wird somit im Einkauf möglich.
Wo starten im Datenmanagement?
Spend-Analyse, Guided Buying, RPA und KI, Process Mining – dies ist nur eine Auswahl an digitalen Tools, die digitale Einkaufspotenziale heben können.
Welche Tools aber nun einsetzen? Erich Gutenberg, der Begründer der Betriebswirtschaft, stellte fest: «Am Gewinnmachen ist noch keine Firma zugrunde gegangen.» Dies bedeutet, der Return des Investments (ROI) muss stimmen. So einfach scheint es zu sein.
Alwin Locker
Der Autor ist promovierter Wirtschaftsingenieur. Alwin Locker ist Geschäftsführer der SOLTAR AG in Zürich und ist auch als Dozent für Einkauf bei procure.ch tätig. Er moderiert die Tagung «Corona – Konsequenzen für den Einkauf».