3 Fragen, 3 Experten
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Was genau ist für Sie grüne Beschaffung?
Stephan Muntwyler: Grüne Beschaffung heisst für uns, dass wir sorgfältig überlegen, was wir einkaufen, aber auch mit welchem Hersteller wir zusammenarbeiten. Fast jeder unserer Lieferanten wird besucht und auditiert. Dabei schauen wir die Beschaffungsquelle der Rohstoff, aber auch den Herstellungsprozess im Werk selbst an. Im Anschluss definieren wir die Logistikkette. Wir legen grossen Wert auf umweltschonende Transporte wie auch auf besondere wiederverwendbare Transportgebinde.
Patrick Lampert: Unter grüner Beschaffung verstehe ich Beschaffungsaktivitäten, bei denen der ökologische Aspekt im Vordergrund steht. Dies vor allem in Bezug auf die Beschaffenheit der einzukaufenden Güter, wie auch deren Versorgungsweg. Die sogenannte Ökobilanz wird zu einer wesentlichen Entscheidungsgrösse.
Jörg Sigrist: Der Konsum von Gütern und Dienstleistungen zählt zu den wichtigsten Ursachen der Umweltbelastung. Grüne Beschaffung sollte deshalb ein integraler Bestandteil des nachhaltigen Wirtschaftens sein. Wer beim Einkauf ökologische und soziale Standards berücksichtigt, kann damit zu einer nachhaltigeren Wirtschaft beitragen.
Welchen Einfluss auf den Unternehmenserfolg hat Green Procurement?
Stephan Muntwyler: Der Einfluss nimmt zu. Einerseits wird unsere Branche durch gesetzliche Auflagen zum Umdenken gezwungen. Andererseits fordern Kunden langlebige Produkte. Glücklicherweise sind unsere Produkte, beispielsweise für Dächer oder Fassaden, langlebig. Eine Nutzung von 100 Jahren ist keine Seltenheit. Betrachtet man den Lebenszyklus, den Rückbau und die Rezyklierbarkeit, ergibt dies eine gute Umweltbilanz.
Patrick Lampert: Eine derart klar umweltfokussierte Betrachungsweise zwingt ein Unternehmen, den Kreis der Gewohnheiten zu verlassen. Neue Sichtweisen werden gesucht und definiert. Dieser Umstand führt zu neuen, innovativen Ansätzen und Geschäftsideen. Die Innovationsfähigkeit der Unternehmen wird so masssiv gefordert und gefördert. Eine solchermassen ökologische Positionierung eines Unternehmens kann zum monetären Erfolgsfaktor werden.
Jörg Sigrist: Eine energieeffiziente Produktion macht sich bei der Marge positiv bemerkbar. Und grünes Beschaffen macht attraktiv, kann gar neue Kunden anziehen. Der Einfluss von Green Procurement ist nicht immer bis auf den letzten Rappen messbar. Als Umwelt Arena Schweiz beschaffen wir selbstverständlich nachhaltig. Wer «Umwelt» im Firmennamen trägt, der muss hier Vorreiter sein. Das gilt auch für unsere Partner. Wir haben unser Catering extern vergeben. Den Betreiber (Dine & Shine) haben wir ausgewählt, weil er auf eine nachhaltige Küche setzt. Und unser Wagenpark besteht aus Biogas- und Elektrofahrzeugen.
Welches ist Ihrer Ansicht nach das grösste Hemmnis bei der praktischen Umsetzung im Beschaffungsprozess?
Stephan Muntwyler: Starker Kosten- oder Termindruck führt dazu, dass wir gezwungen werden, von unserer Beschaffungsphilosophie abzuweichen. Gerade die öffentliche Beschaffung sendet hier falsche Signale aus. Nicht der billigste, sondern der nachhaltigste Anbieter sollte den Zuschlag erhalten. Die heutige Politik führt oft zur Verwendung von billigen (aber nicht grünen) Materialien. Wir setzen uns in unserem Umfeld und in Verbänden für grüne, nachhaltige und langlebige Produkte und Prozesse ein.
Patrick Lampert: Festgefahrene Strukturen und Prozesse sind die grössten Hindernisse bei der operativen Umsetzung von Green Procurement. Ein zu starker Fokus auf finanzielle, kurzfristige Unternehmensziele vernebelt vielfach eine klare Sicht auf langfristige Erfolgspositionen wie eben die Nachhaltigkeit. Auch Unternehmenslenker sind Menschen. Und Menschen haben bekanntlich, auch wenn es um nachhaltiges Wirtschaften und grüne Beschaffung geht, ganz unterschiedliche Ideen und Vorstellungen, welche Resultate wie erreicht werden sollen.
Jörg Sigrist: Ein kurzfristiges, nur auf das nächste Budget ausgerichtete Denken und fehlendes Wissen. Grün zu beschaffen, bedeutet heute meist noch, einen höheren Einkaufspreis zu bezahlen. Aber auf die Länge rechnet sich das. Zertifizierungen und eine für Kunden erkennbare Nachhaltigkeitsstrategie können einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil darstellen.
Die Experten
Stephan Muntwyler
Geschäftsführer Gabs AG, Pestalozzi Gruppe, Tägerwilen
Jörg Sigrist
Geschäftsführer, Umwelt Arena Schweiz, Spreitenbach
Patrick Lampert
Supply Manager Category, Hilti AG, Schaan und Dozent bei procure.ch