3 Fragen, 3 Experten
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Welche Marktmechanismen beeinflussen die digitale Transformation in Ihrer Branche besonders stark?
Louis Krebser: Die Bürobedarfsbranche ist durch die Digitalisierung unter grossem Druck. Einerseits was die Bestell- und Logistikprozesse angeht und andererseits weil gewisse Produkte und Sortimente teilweise oder komplett substituiert werden. Bei Ersterem geht es um massgeschneiderte Onlinelösungen mit leistungsfähiger und schneller Logistik gepaart mit persönlicher Betreuung. Bei Letzterem geht es darum, zukunftsfähige Produkte und Sortimente sowie Services zu definieren und anzubieten.
Jean-Marc Probst: Die Digitalisierung führt dazu, dass Produktion, Grosshandel und Fachhandel immer weiter verschmelzen. Die zentrale Frage, die sich nun stellt, ist, wie ich nicht nur meine Prozesse digitalisiere, sondern sie insbesondere auch mit Kunden- und Lieferantensystemen vernetzen kann. Der reine Materialhändler wird es zudem zukünftig schwer haben. Services und industrielle Vorfabrikation sind bereits heute Standard und digitale Dienstleistungen im Aufbau.
Roman Rogger: Die Kundennachfrage nach digitalen Lösungen steigt merklich. Vor allem die jüngere Generation, die schon privat diverse Leistungen von Onlinehändlern nutzt und deren Vorzüge schätzt, möchte auch in der täglichen Arbeit davon profitieren. Andererseits sehen die Hersteller in dieser Transformation viele Vorzüge sowie ihr enormes Potenzial. Sie sind dementsprechend daran interessiert, dass wir als Händler mitziehen.
Welches ist die grösste Chance, welches das grösste Risiko, das die Digitalisierung in Ihrem Geschäftsfeld eröffnet?
Louis Krebser: Eine grosse Chance sehe ich in der Individualisierung des Angebots. Massgeschneiderte und kreative Lösungen und Konzepte werden noch wichtiger werden. Eine unkomplizierte und professionelle Betreuung von Unternehmen im Bereich Verbrauchsmaterial Fokus Büro wird sich durchsetzen. Als Risiko sehe ich den raschen Wandel, der ein fortlaufendes Infragestellen und Anpassen des Geschäftsmodells voraussetzt.
Jean-Marc Probst: Grosse Chancen bieten sich im Handel durch Big Data oder die smarte Nutzung von Sensoren, die bei Bedarf frühzeitig eine Bestellung auslösen. Die grösste Gefahr ist, dass der Handel sich ausschliesslich mit den eigenen Prozessen beschäftigt und sich zu wenig mit den Auswirkungen der Digitalisierung auf das Geschäftsmodell auseinandersetzt.
Roman Rogger: Wir sehen grosse Chancen, einerseits unsere internen Prozesse erheblich zu beschleunigen und andererseits unsere Leistungen einfacher, schneller und gezielter unseren Kunden zur Verfügung zu stellen. Die verbesserte Messbarkeit aller Aktivitäten unterstützt uns zudem dabei, unsere Prozesse laufend und zeitnah zu verbessern. Das grösste Risiko besteht höchstens darin, dass wir nicht genügend schnell agieren und somit zu wenig am Markt partizipieren können.
Wo setzen Sie in Ihrem Unternehmen den Schwerpunkt, um es digital fit zu machen?
Louis Krebser: Attraktive Onlinelösungen sind ein wichtiger Treiber unserer Branche. Es gilt, am Puls der Entwicklungen zu sein und bestehende Angebote weiterzuentwickeln. Auch sehe ich den kompetenten Mitarbeiter als «persönlichen Assistenten» des Kunden als wesentlichen Faktor der Differenzierung. Er muss den Kunden mit seinen Eigenheiten und Bedürfnissen kennen und das Angebot darauf ausrichten. Der menschliche Kontakt macht weiterhin den Unterschied aus.
Jean-Marc Probst: Wir geben als Verband unseren Mitgliedern Unterstützung, um die Digitalisierung praktikabel umsetzbar zu machen. Dies geschieht durch Informationen. Vor allem hilft der Hinweis, dass man zuerst die eigenen Prozesse kennen muss, bevor man sich mit der Transformation der eigenen Geschäftsmodelle auseinandersetzt, um in der «4.0-Kakophonie» den Überblick zu behalten.
Roman Rogger: Unser wichtigster Schwerpunkt liegt zurzeit in der Stammdatenpflege und deren Prozessen. Digitalisierung bringt nichts, wenn die verwendeten Daten falsch, unvollständig oder alt sind. Es muss sichergestellt werden, dass benötigte Daten jederzeit aktuell und verfügbar sind. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass die grösste Herausforderung nicht in der technischen Umsetzung liegt, sondern im Informationsmanagement.
Die Experten
Louis Krebser
Geschäftsführer Office Krebser AG, Thun
Roman Rogger
Gruppen CEO, Woodpecker Holding AG, Basel
Jean-Marc Probst
CEO Probst Maveg, Lyss
Präsident Verband "Handel Schweiz"