3 Fragen, 3 Experten
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Welchen Stellenwert besitzt die Arbeit in der Gesellschaft der Zukunft?
Urs Leu: Arbeit wird künftig einen noch grösseren Stellenwert erhalten. Arbeit dient nicht nur dazu, einen Verdienst zu erzielen und den Lebensunterhalt zu verdienen, sie hat auch in der Gesellschaft ihre Wichtigkeit und «Anerkennung». Sie ist Teil der Work-Life Balance. Seinen eigenen Beitrag zum Erfolg der Wirtschaft beizutragen, das gehört dazu.
Sabine Ursel: Studien sagen, dass die Mehrheit bei hohem Geldgewinn ihre berufliche Tätigkeit nicht aufgeben würde. In Zukunft aber gibt es nicht mehr Jobs für alle. Der Stellenwert von Arbeit verschiebt sich. Aus Arbeitnehmersicht wichtig: Welche Auswirkungen hat ein gnadenloser Wettbewerb um gute Jobs? Werden Arbeit und Wohlstand als gerecht verteilt empfunden? Lässt sich Arbeit als wertschöpfender Faktor reduzieren und lässt sich gleichzeitig Freizeit maximieren und finanzieren? Werden Modelle wie die Vergesellschaftung von Maschinen, den Zwang zur Arbeit relativieren?
Kaspar Engeli: Nach Familie und Partnerschaft (40%) ist die Arbeit (35%) das Wichtigste im Leben.
Megatrends wie der demografische Wandel, die Digitalisierung, der zunehmende globale Wettbewerb oder die Individualisierung wirken sich unmittelbar auf die Arbeitswelt aus. Der Stellenwert der Arbeit wird hoch bleiben, weil sie viel mehr ist als «persönliche Arbeitsleistung gegen Lohn»: Arbeit steht auch für ein Bedürfnis nach täglichem Sinn, sozialem Halt und für die Suche nach Anerkennung.
Welches sind die wichtigsten Eckdaten der «neuen Arbeitswelt»?
Urs Leu: Die künftige Arbeitswelt muss sicherstellen, dass möglichst alle Menschen im erwerbsfähigen Alter die Chance erhalten, einer geregelten Tätigkeit nachzugehen. Die Wirtschaft muss Modelle erarbeiten beziehungsweise anbieten, die den persönlichen Möglichkeiten, der Ausbildung und der Qualifikation sowie den Anforderungen an die Tätigkeit entsprechen. Es braucht Arbeitsplätze für unterschiedlichste Einsatzmöglichkeiten, auch für Personen ohne höhere Ausbildung.
Sabine Ursel: Neue Beschäftigungsmodelle und Zusammenarbeitsformen mit Crowdworking und temporären Know-how-Generierungsrunden; Flexibilisierung von Arbeitszeiten und -orten; flache Hierarchien, neues Führungsverständnis, Employer Branding, Vernetzung von Mitarbeitern, Sinnstiftung; Schutz von Arbeitnehmerrechten, soziale Absicherung, Schutz von Privatsphäre und Daten; Experimente, beispielsweise 6-Stunden-Tage, Grundeinkommen.
Kaspar Engeli: Neue Formen der Arbeitsorganisation, zunehmende Arbeitsleistung, der Wandel von Hierarchien und Führungsstilen, zeitliche und räumliche Neuordnung der Arbeit, der Einsatz neuer Technologien: Alle diese Faktoren sind bereits heute in unterschiedlicher Ausprägung Realität und werden ständiger Begleiter sein. Mehr noch als früher ist der Wandel die Konstante.
Welche Betriebsanleitung haben Sie persönlich für die neue Arbeitswelt?
Urs Leu: In der Zukunft brauchen wir flexiblere Arbeitsmodelle, die schon kurz nach der Aufnahme der Tätigkeit ein gutes Salär und damit eine höhere Einzahlung in die Vorsorge ermöglichen. Wir brauchen Arbeitszeitmodelle, welche die hohen Kosten der «älteren Arbeitnehmenden» reduzieren und den Jungen die Möglichkeit bieten, von den Alten lernen zu können. Die «Alten» sollten die Chance erhalten, beispielsweise mit reduzierten Pensen die Ausbildung ihrer Nachfolger zu übernehmen und sich selbst so in wohldosierten Dosen schrittweise vom Arbeitsleben zurückziehen zu können.
Sabine Ursel: Beim Übergang ins 4.0 pragmatisch denken, anpacken, ausprobieren, Fehler zulassen. Lernen! Andere ins Boot holen. Der Mensch gehört ins Zentrum des Denkens! 4.0 klappt nur, wenn der Mensch Ideen generiert und sich die Technik Untertan macht. Wer eigenständig und selbstbestimmt arbeitet, wird einfallsreich sein. Gewinnmaximierung darf Nachhaltigkeit und Ethik nicht ausbremsen.
Kaspar Engeli: Eine gute Ausbildung und ständige Weiterbildung ist und bleibt der Schlüssel, gepaart mit motivierender Führung und nachhaltiger Ausrichtung der Geschäftstätigkeit. Man muss Schritt halten mit der sich verändernden Umwelt und Neuem gegenüber positiv eingestellt sein.
Das Wort Arbeit kommt vom mittelhochdeutschen «arebeit» und bedeutete Not und Mühsal. Heute gilt das Gegenteil!