3 Fragen, 3 Experten: Global Sourcing
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Welche Vorteile bringt Global Sourcing?
Martin Stoll: Der grösste Vorteil von Global Sourcing ist, dass man an jene Produkte oder Textilien kommt, die wirklich zum günstigsten Preis zu haben sind, allerdings hat dies nicht nur Vorteile. Eine fremde Kultur bringt eine andere Mentalität mit sich. Durch intensive Zusammenarbeit muss eine vertrauenswürdige Beziehung aufgebaut werden. Kontrolle ist besser als Vertrauen.
Stephan M. Wagner: Durch «globale» Beschaffung wird der Beschaffungsmarkt grösser. Je mehr alternative Lieferanten zur Auswahl stehen, desto breiter ist das Spektrum an Fähigkeiten, auf die Unternehmen zurückgreifen können. Erfolgreiche Unternehmen versuchen, die weltweit «besten» Lieferanten an sich zu binden. Das mag in einem Fall der kostengünstigste, in anderen Fällen ein technologisch führender Lieferant sein.
Andreas Steffes: Global Sourcing erhöht die Auswahl der verfügbaren Produkte. Der Konsument, aber auch die Industrie haben zunehmend komplexere Bedürfnisse, die sich nur auf diese Weise befriedigen lassen. Es ist kaum möglich, dass alles in einem Land selber in der bestmöglichen Qualität produziert werden kann. Weiterhin zeigen die Wirtschaftsbereiche, die dadurch unter erhöhtem Wettbewerbsdruck vom Ausland stehen, häufig eine höhere Produktivität und eine grössere Innovationsbereitschaft.
Welche Gefahren birgt die internationale Beschaffung?
Martin Stoll: Die grösste Gefahr von Global Sourcing ist, dass man nur noch an den Preis des Produktes denkt, jedoch die Dauer des Transportes, die Kosten des Transportes und die ökologische Produktion nicht mehr in Betracht zieht. Jüngere Konsumenten zahlen oft etwas mehr und kaufen mit Absicht ein Produkt «produced in Europe» und 100% Wolle oder «100% Organic Cotton.»
Stephan M. Wagner: Die operativen Risiken in globalen Zulieferketten in Form von Lieferausfällen, Qualitätsproblemen etc. sind bekannt und können durch ein geeignetes Risikomanagement reduziert, wenngleich nicht eliminiert werden. Weniger unter Kontrolle hat man heute politische Veränderungen und ökonomische Risiken
Andreas Steffes: Die grösste Gefahr ist, dass soziale und ökologische Standards vernachlässigt werden. Nicht nur Märkte werden transparenter, auch die Produktionsprozesse, was zu erheblichen Reputationseinbussen führen kann. Die nationale Lohnstruktur hängt von vielen Faktoren ab. Würde nur die günstigste Ware im Ausland beschafft, wären Binnenbranchen wie der Handel nicht mehr in der Lage, Schweizer Löhne zu zahlen. Dadurch wären die Marktversorgung und die Just-in-time-Verfügbarkeit in Frage gestellt.
Welcher ist der wichtigste Trend im Global Sourcing?
Martin Stoll: Der wichtigste Trend im Global Sourcing ist, dass man die Lieferanten überprüft, ob sie z.B. das Oeko-Tex-100-Zertifikat haben oder ob der Betrieb das BSCI-Zertifikat hat, dies sind seriöse Zertifikate, welche man nur unter verschiedenen Bedingungen erhält, und diese werden auch stets kontrolliert. Allerdings ist (trotzdem) kein Kunde bereit, einen höheren Preis zu bezahlen. Diese Zertifikate kosten viel Geld, was jedoch die europäischen Kunden absolut nicht interessiert
Stephan M. Wagner: Internationale Lieferquellen werden oft mit grossem Aufwand entwickelt und sollten deshalb länger genutzt werden können. Aufgrund der operativen und politischen Risiken, welche die Langfristigkeit gefährden, beschaffen Unternehmen verstärkt in «kalkulierbareren» Ländern. Auch wird in Zukunft eher in der Region für die Region eingekauft, also im europäischen Ausland für Standorte in Europa
Andreas Steffes: Die Digitalisierung wird die Beschaffung tiefgreifend verändern. In der kurzen Frist ermöglichen soziale Netzwerke, intelligente Schnittstellen und neue smarte Geschäftsmodelle neue Chancen. Unter dem Stichwort 3-D-Druck werden aber noch ganz andere Möglichkeiten der Beschaffung denkbar.
Andreas Steffes
Geschäftsführer Schweizerischer Stahl- und Haustechnikhandelsverband SSHV
Basel
Prof. Dr. Stefan M. Wagner
Lehrstuhl für Logistikmanagement ETH
Director Executive MBA ETH SCM, Zürich
Die Experten
Martin Stoll
Geschäftsführer
TEFL International Euro GmbH, Glattbrugg