3 Fragen, 3 Experten
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Weshalb ist Weiterbildung in Zeiten der Digitalisierung wichtig?
Matthias Pestalozzi: Die Welt veränderte sich schon immer. Altes Wissen wurde und wird über Generationen weitergegeben und mit neuen Erkenntnissen ergänzt. Weiterbildungen vermitteln ergänzendes Wissen bei persönlicher Neuorientierung oder wenn sich die Umgebung entwickelt. Die Digitalisierung bringt in schnellem Rhythmus viel Neues. Deshalb steigt die Bedeutung regelmässiger Weiterbildungen.
Hans Michael Kellner: Die Entwicklung der Digitalisierung ist rasant. Wer diese durch Weiterbildung begleitet, kann sein Wissen stufenweise immer weiter ausbauen. Die anderen verpassen mangels Basis den uneinholbaren Zug. Gerade Mitarbeiter der älteren Generation müssen an einer Weiterbildung für das digitale Zeitalter interessiert sein. Sie treffen Entscheidungen für die künftigen Generationen der Digital Natives und tragen eine grosse Verantwortung. Sie sind eine wichtige Brücke zwischen analog und digital.
Ueli Stursberg: Weiterbildung war im Handel schon immer wichtig! Aktuell sind zwei Treiber dafür verantwortlich: immer wieder neue, komplexere staatliche Vorschriften und die Technik. Viele Systeme entlang der Handelskette, die vor wenigen Jahren noch zu teuer waren, sind marktfähig geworden. Die Firmen führen diese nun ein und entsprechend müssen die Mitarbeiter geschult werden.
Gemäss der aktuellen Salärstudie von procure.ch beteiligen sich weniger Arbeitgeber finanziell an der Weiterbildung ihrer Mitarbeitenden als noch vor 4 Jahren. Welche Auswirkungen bringt das für die Unternehmen mit sich?
Matthias Pestalozzi: Aktualisiertes Wissen und Können wird hauptsächlich durch Nachwuchskräfte in die Unternehmen gebracht. Deshalb sollten Lernende gefördert werden. Dieser Innovationszufluss nimmt wegen der demografischen Entwicklung tendenziell ab. Deshalb sollten sich Mitarbeitende adäquat weiterbilden können. Fehlt dafür das Geld, wird Innovation in Unternehmen schwieriger umzusetzen sein.
Hans Michael Kellner: Der aktuelle Kostendruck führt zum Sparen. Leider am falschen Ende. Ein Hightechland wie die Schweiz ist auf qualifizierte Mitarbeiter angewiesen. Wenn ein Mitarbeiter bereit ist, sich weiterzubilden, dann sollte dies vom Unternehmen unbedingt gefördert werden. Davon profitieren alle: Mitarbeiter, Unternehmen und Kunden. Das sichert deren Zukunft und unseren Lebensstandard.
Ueli Stursberg: Die Umfragen unter Aussenhandelsfachleuten und -leitern bestätigen diesen Befund nicht: Die Beteiligung der Firmen bleibt stabil. Künftig wird aber durch die Einführung der subjektbezogenen Subventionen durch den Bund die Tendenz zunehmen, dass Arbeitnehmer ihre Weiterbildungen selbst finanzieren. Die Folgen für Unternehmen: Ein bisheriges Instrument der Bindung von Mitarbeitenden wird schwächer oder verschwindet ganz.
Wie wird die Schweizer Bildungslandschaft in 20 Jahren aussehen?
Matthias Pestalozzi: Die Berufslehre kombiniert theoretische und praktische Ausbildung. Sie bringt branchenspezifisch Nachwuchs in die Betriebe und generiert Innovation auf die günstigste Art und Weise. Sie wird daher weiter an Bedeutung gewinnen. Weiterbildung zur Orientierung von bestehenden Mitarbeitenden wird «deformalisiert» und «on the job» stattfinden.
Hans Michael Kellner: 20 Jahre sind aus heutiger Sicht eine lange Zeit. Bis dahin wird sicher eine weitere industrielle Revolution stattgefunden haben. Lernen wird orts- und zeitungebunden überall möglich sein. In den Fächer wird der Schwerpunkt auf kreative Tätigkeiten und sinnvolle zukunftsfähige Entscheidungen gelegt werden.
Ueli Stursberg: Die Schweiz wird ihre Spitzenposition behaupten. Unsere Kernkompetenz, die Verknüpfung von Theorie und Praxis, wird auch in allen «Zukunftsthemen» voll zum Tragen kommen. Allerdings werden in personalintensiven Bildungsbereichen mehr ausländische Anbieter auftreten. Wer eine Sprache lernen will, wird zum Beispiel via Internet einen Einzelkurs mit einem sehr gut qualifizierten Lehrer belegen können.
Ueli Stursberg
Sekretär Verbandsführung, Ausbildung und Verbandsverträge, Handel Schweiz
Hans Michael Kellner
CEO, Messer Schweiz AG
Die Experten
Matthias Pestalozzi
Delegierter des Verwaltungsrats, Pestalozzi + Co AG