Wertsteigerung im Einkauf durch Kundenorientierung
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Heute steht der Einkauf mehr denn je vor der Herausforderung, eine Vielzahl von Anforderungen zu meistern. Politische Vorgaben, Handelsbeschränkungen, Versorgungsengpässe, das Lieferkettengesetz, der Green Deal, schwankende Rohstoffpreise, Wechselkursschwankungen, der Druck zur Kostensenkung sowie die Notwendigkeit von Innovation und Digitalisierung stellen komplexe Aufgaben dar.
Es gilt, diesen vielfältigen und zunehmenden Herausforderungen effektiv zu begegnen, um die Zukunftsfähigkeit und Wettbewerbsstärke zu sichern.
Es ist eine Herkulesaufgabe, zwischen den oft konkurrierenden Zielen, Erwartungen und widersprüchlichen Erwartungen eine optimale Lösung zu finden.
Die zunehmende Komplexität globaler Wertschöpfungsnetzwerke veranlasst daher Unternehmen dazu, ihre Einkaufspolitik, ihre Strategien, ja ihr Einkaufssystem als solches zu überdenken und neu auszurichten.
In der Vergangenheit wurde der strategische Fokus auf Kostenoptimierung, Effizienz und Lieferantenbeziehung gerichtet, was den heutigen Anforderungen so nicht mehr gerecht wird. In der Zwischenzeit vollzieht sich ein schleichender Paradigmenwechsel, der von rein transaktionalen Ansätzen und re-aktivem Verhalten hin zu einem serviceorientierten und stärker pro-aktiven Einkaufsmodell wechselt.
Es soll den Wertbeitrag des Einkaufs durch eine stärkere interne Kundenorientierung erhöhen. Die Bedeutung der internen Kundenorientierung drängt sich dabei immer stärker in den Vordergrund.
Ergebnisse der Arbeitsgruppe
89 Prozent der befragten Unternehmen bestätigen in unserer Umfrage die zunehmende Bedeutung der Kundenorientierung im Einkauf. Anstatt sich ausschliesslich auf die Beziehung zu Lieferanten zu konzentrieren, richtet der serviceorientierte Einkauf den Fokus auf die Bedürfnisse und Anforderungen der internen Kunden innerhalb des Unternehmens.
In der Umfrage wurde darüber hinaus bestätigt (66 Prozent), dass der Markt an Beschaffungsdienstleistungen stark zunehmend ist und der interne Einkauf dadurch im Wettbewerb mit externen Dienstleistern steht.
Die rechtzeitige und kosteneffiziente Erfüllung der Anforderungen interner Kunden wird entscheidend für die Überlebensfähigkeit der Einkaufsorganisationen.
Einkäufer und Einkäuferinnen erkennen, dass die internen Bedarfsträger in Wirklichkeit ihre Kunden sind. Sie werden als Kunden in einem hart umkämpften Markt betrachtet und entsprechend behandelt.
Was es für Kundenfokus braucht
Es zeigte sich in der Vorstudie, dass der Einkauf spezifische Fähigkeiten für eine wirksame Kundenorientierung braucht, diese jedoch noch wenig zur Verfügung stehen:
- Dynamische Anpassungsfähigkeit, um die Prozesse, Kompetenzen und Ressourcen auf sich wandelnde Kundenbedürfnisse flexibel anzupassen.
- Spezifische Kenntnisse über Methoden, Prozesse, Verfahren der Kundenorientierung, die gezielt weiterentwickelt und wirkungsvoll eingesetzt werden können.
- Fähigkeit zur Analyse von Kundenprozessen, um die Kundenorientierung steuern zu können.
- Technologieeinsatz, um die Kundenintegration und das Kundenmanagement zu unterstützen.
- Führung mit spezifischen Kennzahlen, die die Kundenorientierung definiert, misst und verbessert.
- Verfügbarkeit von Ressourcen und Mitteln, um die Kundenerlebnisse stetig zu verbessern.
Die Grundhypothese eines kundenorientierten Einkaufs ist, dass Bedarfsträger und Einkauf die Services, deren Aufwand, Umfang und Ergebnis aushandeln und dass entsprechend effizientere Prozesse zur Erstellung der Services entstehen, die von kompetenten Mitarbeitern ausgeführt werden.
Damit sollen die Services als klar definierte Arbeitspakete besser planbar und steuerbar werden.
Welchen Nutzen ziehen Firmen daraus?
Es stellte sich schliesslich die Frage nach dem Nutzen, den die Einkaufsorganisationen aus einer stärkeren Kundenorientierung erwarten. Folgende Aussagen wurden mehrheitlich bestätigt:
- Es entsteht eine auf den Bedarfsträger ausgerichtete Strukturierung des Serviceangebots.
- Durch die bessere Strukturierung erhöht sich Effizienz und Effektivität, da sich der Einkauf auf klar definierte und vereinbarte Services konzentrieren kann.
- Eine höhere Effizienz mit einem klaren Serviceportfolio macht den Wertbeitrag nicht nur sichtbarer, sondern die Bedarfsträger würden die angebotenen Services nutzen wollen und auf deren Umsetzung achten. Der Anteil von «Maverick Buying» könnte reduziert werden.
- Die Transparenz, die Effizienz sowie das Serviceportfolio führten dazu, dass diese Leistungen auch in der frühen Phase der Produkt-, Markt- oder Geschäftsentwicklung nachgefragt werden. Die frühe Einbindung wird zu einem Selbstläufer.
- Um beim Bedarfsträger nachhaltig hohe Anerkennung zu erhalten, ist eine stetige Verbesserung der Services notwendig. Auch interne Kunden erwarten, dass sie mit neuen Elementen, neuen Leistungen «überrascht» werden. Dies führt schliesslich dazu, dass die Fach- und die Methodenkompetenz sich im Einkauf schneller weiterentwickeln und zu attraktiven Service-Angeboten umgesetzt werden.
- Letztendlich führen diese neu entwickelten Serviceangebote im Einkauf auch zu neuen und relevanten Wertbeiträgen, da sie keinen Selbstzweck darstellen, sondern einem Bedarf des internen Kunden entsprechen.
Wie erfolgt die Umsetzung?
Das Konzept eines serviceorientierten Einkaufs wurde in einer ersten Arbeitsgruppe von procure.ch unter Leitung des Logistikum Schweiz erarbeitet. Die Werkzeuge einer Kundenorientierung wurden gesammelt und getestet. Anhand von Praxisbeispielen wurde die Umsetzbarkeit im Einkauf geprüft. Auch die Erwartungshaltungen sind positiv formuliert.
Um dem Konzept jedoch zum Durchbruch zu verhelfen, ist ein Proof of Concept, in dem die schrittweise Einführung eines kundenorientierten Einkaufs und dessen Wirkung geprüft wird, notwendig. In einer zweiten Arbeitsgruppe soll daher die Umsetzung und Validierung eines kundenorientierten Einkaufs erfolgen.
Herbert Ruile
Prof. Dr. Ing. Herbert Ruile ist Geschäftsführer von Logistikum Schweiz, einem Bildungs- und Forschungszentrum für Einkauf, Logistik und SCM in Altdorf.