Rock Your Recruiting mit attraktiven Ideen
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Viele Unternehmen leiden unter einem Mangel an Mitarbeitenden. Für sie scheint der Markt wie leergefegt zu sein. Dabei lautet die entscheidende Frage: Warum sollte ich mich bei euch bewerben? Sind das Unternehmen, die Kultur und das Personalmarketing Magnete?
Pop-Up und Porsche am Haken
Die SBB nahmen das bewährte Konzept des Pop-Up-Stores und schufen im Zürcher Hauptbahnhof vier Wochen lang einen Pop-up-Store für Jobs. Im Berufswelten-Café servierten die SBB nicht nur Kaffee, sondern stellten ihre 150 Berufe vor, nahmen Lebensläufe entgegen und gaben Tipps fürs Bewerben.
Eine Firma stellte einen Kran in Berlin auf und hängte einen Porsche an den Haken. Das Spiel dazu hiess: Cash or Crash. Jeder konnte mit darüber abstimmen, ob der Porsche abstürzt oder nicht. Mit diesem Coup stand die bis dahin unbekannte Firma YOC in allen Medien. Es geht um Aufmerksamkeit, die muss verdient werden, denn sie ist ein rares Gut. Die Itemis AG hat 2022 mehr als hundert Softwareentwickler eingestellt. Itemis hat sie magnetisch angezogen.
Genial kreativ finde ich auch die Idee eines Unternehmens, das händeringend nach Elektrikerinnen und Elektrikern gesucht hat. In allen Baumärkten der Region wurden Zettel zwischen die Kabelbinder gelegt. Darauf stand: «Suchen Sie eine Arbeit im Trockenen? Kommen Sie zu uns!» Viele Facharbeiter, die schweissgebadet oder nassgeregnet von der Baustelle kamen, um schnell Kabelbinder zu kaufen, haben sich beworben. Innerhalb von fünfzehn Tagen hat das Unternehmen 30 Menschen eingestellt. Die Kosten dieser Werbekampagne: 2 000 Schwarz-Weiss-Kopien.
Eine Stahlbaufirma setzte ihr Wissen ein, dass Ingenieure häufig Heavy-Metal-Fans sind. Sie verlosten unter allen Bewerberinnen und Bewerbern Tickets für das weltberühmte Wacken-Festival. Weil die Tickets nur schwer zu bekommen sind und sich die Aktion in der Branche wie ein Lauffeuer herumsprach, kamen viele gute Bewerbungen.
Müssen Buchhalter rechnen können?
Müssen Buchhalterinnen und Buchhalter gut recherchieren können? Nein. Müssen sie überzeugende Bewerbungen schreiben können? Nein. Im Bewerbungsgespräch glänzen? Nein! Wichtig sind Gründlichkeit und Ehrlichkeit. Eine Firma hat beim Bezahlen von Rechnungen drei Cents zu viel überwiesen. Wer den Fehler meldete, bekam ein Jobangebot. Der Einsatz der Firma: wenige Euros.
Ein Uhrenmacher fand keine Fachkräfte, also stellte er Zahntechnikerinnen und Zahntechniker ein. Sie haben zu 95 Prozent die gesuchten Fähigkeiten: Feingefühl und Präzision.
Eine andere Firma hat Menschen, die interessante Patente angemeldet haben, zum Sommerfest eingeladen. Die positive Überraschung wirkte, und über 50 Prozent der Eingeladenen sagten zu. Beim Fest kamen sie locker ins Gespräch über Privates und über Projekte und Budgets im Unternehmen. Gäste, denen es gefallen hatte, bewarben sich schon nach ein paar Monaten oder sogar noch Jahre später. Die Kosten für das Unternehmen: Zeit für Patentrecherchen und Einladungen zum Fest.
Bauen Sie Hürden ab
Stellen Sie sich vor, der Postbote klingelt. Sie bekommen ein Päckchen. Es riecht gut und sieht gut aus. Allerdings kennen Sie den Absender nicht. Im Päckchen liegt ein Smartphone. Das neuste Modell. Unter dem Smartphone klebt ein Post-it: «Rufen Sie uns an, wir sind Ihr neuer Arbeitgeber». Auch diese Bewerbung wurde umgedreht. Statt passiv auf Bewerbungen zu warten, hat diese Firma recherchiert, wer zur Firma passt. Die interessantesten 20 Personen wurden mit dem Päckchen überrascht. Wer zusagt, war durch die Vorauswahl bereits als ein sicherer Volltreffer qualifiziert.
Immer mehr Unternehmen stellen bevorzugt Lernende ein, die ihr Studium abgebrochen haben. Sie sind älter, reifer und sie verschwinden nach der Ausbildung nicht zum Studium. Wer zum Beispiel sein Studium der Ingenieurwissenschaften nicht beendet hat, wird im Maschinenbau mit Kusshand als Lehrling genommen.
Die Caritas Düsseldorf startete im Sommer 2017 die Kampagne «Bei Anruf Ausbildung». Alles andere wurde gestrichen. Kein Anschreiben. Kein Lebenslauf. Keine Prüfung. Kein Vorstellungsgespräch. Bewerbungsverfahren müssen schnell und transparent sein. Das Streichen aller Hürden führt zu deutlich mehr guten Bewerbungen.
Das Gute liegt so nah. Nehmen Sie Worte, die Ihnen Spass machen, die zu Ihrer Branche und Region passen, und hängen Sie Recruiting ran. Schon sind Sie auf dem Weg zu einer Personalgewinnung, die Aufmerksamkeit bekommt. Ich helfe Ihnen auf die Sprünge: Musik-Recruiting, Festival-Recruiting, Kreuzfahrtschiff-Recruiting, Spieleabend-Recruiting, Burger-Recruiting, Kochduell-Recruiting, Dinner-Recruiting, Taxi-Recruiting, Offene-Baustellen-Recruiting, Verkleidungs-Recruiting, Flashmob-Recruiting, Hackathon-Recruiting.
Fachkräftemangel ist weniger peinlich als Kundenmangel
Erfolgreiche Betriebe haben zufriedene Kunden. Und zufriedene Kunden geben gerne eine Empfehlung. Ein Schreinermeister wollte mit seinem Betrieb wachsen. Weil er keine Bewerbungen bekam, fragte er seine Kunden: «Kennen Sie Schreiner, Lernende, Praktikanten? Dann empfehlen Sie uns bitte.» Die Schreinerei konnte ihre Belegschaft verdoppeln.
Wenn ein Unternehmen oder eine Branche Fachkräftemangel beklagt, dann ist das nichts anderes als ein Kundenmangel. Nur mit einer besonderen Zielgruppe. Bei Kundenmangel reagieren Unternehmen professionell und verbessern ihr Angebot und ihr Marketing.
Warum ist Fachkräftemangel nicht so peinlich wie Kundenmangel? Unternehmen, die vergeblich nach Fachkräften fahnden, sollten überlegen, ob ihr Angebot attraktiv ist, ob ihre Unternehmenskultur magnetisch anzieht und ob sie auf Bewerbungen schnell und wertschätzend reagieren.
Seien Sie authentisch
Denken Sie daran, dass der Schlüssel zum erfolgreichen Recruiting auch im Einkauf darin besteht, die Einzigartigkeit Ihres Unternehmens hervorzuheben und sich aktiv um die begehrten Fachkräfte zu bemühen.
Als Einkaufsprofi wissen Sie, wie zentral Transparenz und Authentizität sind, um zum Vertragsabschluss zu kommen. Vergessen Sie trotz aller Kreativität nicht, dass Sie mit unkonventionellem Recruiting nur dann die anvisierten Treffer landen werden, wenn Sie authentisch sind.
Stellen Sie also sicher, dass Ihre Unternehmenskultur von Teamarbeit, Wertschätzung und Entwicklungsmöglichkeiten geprägt ist. Dies wird Ihre aktuellen Mitarbeitenden motivieren und dazu beitragen, talentierte Fachkräfte anzuziehen. Betonen Sie zudem Ihre Angebote für Schulungen und Weiterbildung, um Kandidaten anzulocken, die den Ehrgeiz haben, sich kontinuierlich zu verbessern.
Fachkräftemangel kann überwunden werden, wenn Sie die richtigen Strategien anwenden und sich als attraktiver Arbeitgeber positionieren. Auf gehts. Wir sehen uns am 16. Mai 2024 in Bern.
Martin Gaedt
Martin Gaedt ist Autor von Bestsellern wie «4 TAGE WOCHE», «ROCK YOUR WORK», «ROCK YOUR IDEA» und auch «Mythos Fachkräftemangel» . Seit 1999 ist er Unternehmer und war 61-mal Arbeitgeber. Seit 2014 hat er in 750 Keynotes rund 120 000 Menschen provotaint.