Mogelpackung Transformation?
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Die Geschäftsführerin eines mittelgrossen Unternehmens spricht an der Pforte einen auffällig gut gekleideten Mann an: «Und wer sind Sie?» Der Angesprochene antwortet lächelnd: «Hi, ich berate Ihren Betrieb in puncto Transformation.» Die Neugierde der Geschäftsführerin ist geweckt: «Spannend. Können Sie mir in kurzen Worten sagen, was Sie da genau machen?» Anstatt zu antworten, stürmt der Berater klatschend auf eine Baumreihe zu und ruft laut: «Hey, hey, hey!» Das schreckt eine Gruppe Krähen auf. Die Geschäftsführerin folgt dem Berater in aller Ruhe. Bis sie ihn einholt, sitzen bereits alle Vögel wieder in den Ästen. Die Geschäftsführerin hakt nach: «Und was soll mir das zeigen?» Der Berater erwidert: «Na, das ist genau das, was ich mache.» Die Geschäftsführerin meint darauf lakonisch: «Naja, Sie haben die Brut zwar aufgescheucht, doch es sitzen ja alle wieder auf einem Ast.» Darauf der Consultant: «Ja schon, allerdings alle an einem anderen Platz!»
Diese Anekdote soll verdeutlichen, was die meisten Firmen einkaufen, sobald sie ein Transformationsangebot annehmen – nämlich einfach nur viel Bewegung ohne grundlegende Veränderung. Auf was gilt es denn genau zu achten, wenn Unternehmen es mit der Transformation ernst meinen?
Augen auf beim Transformationskauf
So überspitzt, wie im ersten Absatz formuliert, so richtig ist, dass unsere Welt grosse Herausforderungen für uns und unsere Firmen bereithält. Einstein hat dies mit seiner Feststellung «Probleme kann man niemals mit derselben Denkweise lösen, durch die sie entstanden sind» genau umrissen. Doch was heisst das genau, wenn es um Transforma-tion und Digitalisierung geht? Auf jeden Fall, dass Methoden und Konzepte uns nur dann weiterbringen, wenn wir es schaffen, der Schwierigkeiten mit einem neuen Denken Herr zu werden.
Bevor wir also im eigenen Unternehmen anfangen, irgendetwas anders zu machen, lohnt es sich, herauszufinden, wie wir unser Denken transformieren. Denn nur auf die Transformation des Denkens folgt auch eine Transformation der Organisation.
Wenn zu viel delegiert wird
Schauen wir uns die Schritte des gängigen Denkmusters in Firmen an: Irgendjemand hat ein Problem. Übrigens egal, ob privat oder beruflich. Ihm oder ihr misslingt es, die Sache schnell zu klären. Weil es mehr Aufmerksamkeit braucht, geht man auf eine Führungskraft zu und delegiert ihr das Thema. Die Hauptarbeit vieler Führungskräfte besteht demzufolge vielfach darin, sich mit «seltsamen» Anliegen aus der Belegschaft zu befassen.
In «gut» organisierten Firmen geschieht das meist gleich per (Online-)Formular. Die Führungskraft nimmt die Anfrage an und bearbeitet sie. Ganz egal, ob sie sie später wieder zurückdelegiert, etwas anweist oder einen Teamprozess startet. Sie versteht sich als dafür verantwortlich, zu einer Lösung zu kommen. Die Chefs walten also ihres Amtes, entscheiden und weisen an. Die Mitarbeitenden akzeptieren die Entscheidung und verhalten sich danach oder delegieren das Thema mit neuen Aspekten zurück.
Welche Denkart steckt dahinter? Ich fasse es so zusammen: Aufwendige Problemlösungen sind an «Führende» zu delegieren.
Erinnern Sie sich noch an Einstein? Aus dieser Denkweise entstehen Probleme. Firmen reagieren deshalb zu langsam auf Marktveränderungen – Kodak und die Digitalfotografie. Jetzt ist es laut Einstein so, dass wir diesen Schwierigkeiten nur beikommen, wenn wir unsere Denkweise ändern. Die Alternative dazu ist, Raben aufzuscheuchen. Doch wie sieht hier eine neue Denkweise aus, die unsere Probleme löst?
Die Transformation des Denkens
Es gibt Firmen, die haben sich von der beschriebenen Denkart bereits verabschiedet. Ich nenne sie adaptive Organisationen. Sie folgen einer neuen Denkweise. Bei ihnen heisst es: je komplexer die Problemstellung, desto mehr verantwortungsbewusste Gehirne sind an der Lösung zu beteiligen.
Wer so denkt, verschiebt den Blickwinkel auf eine grössere Anzahl von Aspekten unseres Arbeitens. Die Wichtigsten sind: weg von der Fremdwirksamkeit von Führungskräften, hin zur Selbstwirksamkeit von allen. Weg von der Verantwortungs- und Machtkonzentration auf wenige, hin zu bewusst geteilter Kompetenz. Weg von Kleinkriegen und Ränkespielen, hin zu aufgearbeiteten und beständig gelösten Problemen. Weg von ausgrenzend radikal durchgesetzten Machtpositionen, hin zu Verständnis und gangbar verlässlichen Vereinbarungen.
Wer diesen Weg konsequent geht, stellt grundlegende Veränderungen im Arbeiten fest. Die Transformation ist dabei kein Prozess, der soundso lange dauert. Es ist vielmehr eine Phasenverschiebung. Bei jeder Aufgabe, in jedem Projekt, für jede Herausforderung kann die neue Brille aufgesetzt werden.
Mit der veränderten Denkweise gewinnt Ihre Firma andere Lösungswege. Setzen Sie diese um, transformiert sich die Art, wie Sie arbeiten. Praktisch von alleine. Mit viel Klarheit und teilweise völlig ohne Entwicklungsschmerzen, wie wir sie sonst von Organisationsentwicklungen kennen. Das ist Transformation, die funktioniert. Das ist Transformation, die die Zukunft Ihrer Firma sichert. Das ist Transformation, die auf Ihre Belegschaft vertraut. Das sorgt für eine gesunde, stressresistente Ökonomie.
Gebhard Borck
Der Autor ist Unternehmer und Buchautor. Als Geschäftsführer der GB KOMMUNIKATION GmbH begleitet er KMU dabei, mit Fokus auf die Menschen gelassener, zufriedener und sinngekoppelter zu wirtschaften. Sein neustes Buch «Die selbstwirksame Organisation – Das Playbook für intelligente Kollaboration» (ISBN 978-3-86980-486-6) ist 2020 erschienen.